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Gesellschaft für bedrohte Völker

 

PRESSEERKLÄRUNG

Göttingen, den 2. Oktober 1997

Friedliche Studentendemonstration im Kosovo gewaltsam aufgelöst
GfbV appelliert an niedersächsischen Innenminister: Albanische Flüchtlinge aus dem Kosovo
nicht an serbische Behörden ausliefern!
Mit einer Mahnwache vor dem Alten Rathaus in Göttingen hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) gemeinsam mit
albanischen Flüchtlingen aus dem Kosovo am Donnerstag an den niedersächsi
schen Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) appelliert, Kosovo-
Albaner nicht mehr abzuschieben. "Bitte setzen Sie sich bei Bundesinnenminister Manfred Kanther nachdrücklich dafür ein, daß das Rückübernahmeabkommen mit der neuen Bundesrepublik
Jugoslawien sofort ausgesetzt wird", forderte die Menschenrechtsorganisation und warnte vor einer neuen
Eskalation der Gewalt im serbisch regierten Kosovo. Am Mittwoch hatten
starke serbische Polizeikräfte friedliche Studentendemonstrationen in
der Provinzhauptstadt Pristina gewaltsam aufgelöst. Mindestens 250 Demonstranten sollen nach Augenzeugenberichten verletzt, mindestens zwei Studentenführer und der Rektor der Untergrunduniversität Pristina, Ejup Statovci, sollen verhaftet
worden sein. Zehntausende Studenten und Einwohner derProvinzhauptstadt hatten mit Schweigemärschen gegen das
Bildungssystem der serbischen Machthaber protestiert und die Rückgabe der Schulen und Universität an die Albaner gefordert,die90 Prozent der Bevölkerung im Kosovo stellen.Im Oktober vergangenen Jahres hatte Bundesinnenminister Kanther mit seinem serbischen Amtskollegen Vukasin Jokanovic ein Rück
übernahmeabkommen für die rund 120.000 in Deutschland lebendenFlüchtlinge aus der BR Jugoslawien geschlossen. Die GfbV hatte das Abkommen wegen der fortgesetzten Unterdrückung der Albaner
durch die serbischen Behörden scharf kritisiert. Zwischen 1.700
und1.800 Personen wurden nach Angaben des Auswärtigen Amtesjedoch bereits abeschoben. Niedersachsen hat nach Angaben desInnenministeriums bis zum 30. April 54 Personen an die BRJugoslawien ausgeliefert. Die GfbV befürchtet, daß die überwiegende Mehrheit aus dem Kosovo stammt.
Seit der serbischen Machtübernahme in der ehemals
selbstverwalte ten Provinz Kosovo 1990 leben die Albaner inApartheid-ähnlichen
Verhältnissen. Das albanische Personal wurde aus Schulen, Kran
kenhäusern, Verwaltung und staatlichen Betrieben entfernt. An
der Universität Pristina und in den Schulen wurden serbische
Lehrpläne eingeführt. Seitdem werden Hunderttausende albanische Kinder,
Jugendliche und Studenten in Hinterzimmern und Privathäusern in
Untergrundschulen unterrichtet, wo sie ständig mit Überfällen
der serbischen Polizei rechnen müssen. Jeder Versuch der
diskriminier ten und verfolgten Mehrheit, ihre Bürgerrechte wahrzunehmen,
wird gnadenlos niedergeschlagen. Willkürliche Verhaftungen und
Folter sind an der Tagesordnung.

 

 

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